Pflichtteilsschuldner – Müssen Sie einen Pflichtteil zahlen?

Das Gesetz gibt vor, dass der Erbe den Pflichtteil schuldet. Gibt es mehrere Erben, kann der Pflichtteilsberechtigte den gesamten Pflichtteil auch nur von einem Erben fordern. In der Praxis kommt es dabei häufig zu den nachfolgenden bzw. vergleichbaren Konstellationen:

– Sie sind Alleinerbin Ihres vor 2 Wochen verstorbenen Ehemanns. Ein Sohn aus erster Ehe verlangt die Auszahlung des Pflichtteils innerhalb einer Frist von 10 Tagen.

– Sie sind Alleinerbin Ihres vor 4 Jahren verstorbenen Ehemanns. Nachdem Ihre Tochter einen neuen Partner kennengelernt hat, fordert sie zu Ihrer Überraschung nun den Pflichtteil.

– Ihre Eltern sind erst vor einigen Monaten kurz nacheinander verstorben und hatten kein Testament. Vor 12 Jahren wurde Ihnen das Elternhaus geschenkt. Ihren beiden Geschwistern wurden zeitgleich höhere Geldbeträge geschenkt, ohne dass es dazu Schriftstücke gäbe. Vor 6 Jahren sind Ihre Eltern in ein Heim gezogen. Sie haben das Elternhaus renoviert, sind in das Elternhaus gezogen und haben sich an den Heimkosten Ihrer Eltern beteiligt. Im Grundbuch ist  zum Elternhaus das lebenslange Wohnrecht Ihrer Eltern am gesamten Grundstück vermerkt. Eine Schwester verlangt nun den Pflichtteilsergänzungsanspruch.

– Als Alleinerbin Ihres Ehemannes haben Sie sich nach einigem Gezänk mit dessen beiden Kindern geeinigt und eine Abfindungsvereinbarung über den Pflichtteil geschlossen. Die Pflichtteilsbeträge wurden an die Kinder ausbezahlt. Plötzlich meldet sich eine Ihnen bis dato nicht bekannte voreheliche Tochter und fordert ebenfalls den Pflichtteil.

– Als Alleinerbe Ihrer Ehefrau haben Sie den halben Anteil an der gemeinsamen Eigentumswohnung auf sich umgeschrieben. Das Porsche-Cabriolet Ihrer Frau hat der einzige Sohn als Vermächtnis erhalten und bei der Übergabe mündlich zugesichert, dass die Erbsache damit für ihn erledigt sei. Sie und Ihre Frau haben von Ihrer hohen Pension gut gelebt und hatten deshalb keine größeren Ersparnisse. Ein halbes Jahr nach dem Erbfall behauptet der Sohn nun, der Porsche habe nur noch Schrottwert und fordert den Ergänzungspflichtteil.

Grundsätzlich gilt, dass gegen den Pflichtteil kein Kraut gewachsen ist. Nur in Ausnahmefällen kann der Pflichtteil gegen den Willen des Berechtigten entzogen oder beschränkt werden. Das Gesetz weist dem Pflichtteilsberechtigten vom Grundsatz her eine unentziehbare Mindestbeteiligung am Nachlass zu. Dies führt freilich manchmal zu der konfliktfördernden Fehleinschätzung auf Seiten von Pflichtteilsberechtigten, dass der rechtlich sehr stark ausgestaltete Anspruch allein deshalb wirtschaftlich auch valide sein muss.

Übersehen wird, dass eine Mindestbeteiligung am Nachlass nur dann etwas wert ist, wenn auch ein Nachlass vorhanden ist. Die sicherste Strategie, einen Pflichtteilsanspruch zu vermeiden ist es insofern, am Todestag nichts mehr zu haben und also nichts zu vererben. Allerdings hat diese Vermeidungsstrategie einen Haken: Beruht die Vermögenslosigkeit zum Todestag auf Schenkungen, werden die Schenkungen ganz oder anteilig zum sogenannten „fiktiven Nachlass“  aufsummiert.  Gibt es einen fiktiven Nachlass, muss der Erbe anhand der Pflichtteilsquote daraus den Pflichtteilsergänzungsanspruch zahlen, auch wenn er selbst nichts geschenkt bekommen hat. Nachranging, wenn es keinen Erben gibt oder kein hinreichender Nachlass vorhanden ist, haftet der Beschenkte auf die Pflichtteilsergänzung. Gibt es mehrere Beschenkte, haftet vorranging jeweils der zuletzt Beschenkte.

Pflichtteilsberechtigte übersehen mitunter, dass sie sich auf Ihren Ergänzungsanspruch alle selbst erhaltenen Schenkungen anzurechnen haben. Konflikte entstehen sehr häufig auch deshalb, da die selbst erhaltenen Zuwendungen als geringer bewertet werden als dasjenige, was die Geschwister erhalten haben („the grass is always greener on the other side“).

Es fällt den Beteiligten in einem pflichtteilsrechtlichen Konflikt auch sehr häufig schwer, emotionale Belastungen aus der Kindheit bzw. im (Stief-)Eltern- Kind-Verhältnis hinter sich zu lassen. Aufgrund der starken rechtlichen Ausgestaltung des Pflichtteilsanspruchs geht dies insbesondere in den ersten Phasen der rechtlichen Auseinandersetzung stark zu Lasten des Erben/Pflichtteilsschuldners, der hier häufig auf ein dickes Fell und eine verhandlungsstarke anwaltliche Vertretung angewiesen ist, um ohne Gerichtsverfahren zu einer gütlichen Lösung zu kommen.

Oft ist es in der Vertretung des Erben notwendig, den Pflichtteilsberechtigten klar zu machen, dass die rechtlichen Folterwerkzeuge, mit denen sie den Erben zu pisacken gedenken, den Nachlass weder vergrößern noch zum Einknicken des Erben führen werden. Verbunden mit einem fairen Abfindungsvorschlag lässt sich ein Gerichtsverfahren so häufig vermeiden, wenn die Verhandlungen durch einen gestandenen Fachanwalt für Erbrecht engagiert geführt werden.

Kommt es dennoch zur Stufenklage eines Pflichtteilsberechtigten gegen Sie als Erben, vertrete ich Ihre Interessen mit Nachdruck und kompetent.